Corona-Impfstoff für Alle – gebt die Patente frei!

Unser Redebeitrag am 23. Januar 2021 vor der BionTech Zentrale in Mainz.

Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages fanden in sieben Städten vor Standorten von BioNtech und Pfizer Kundgebungen statt, die für die Freigabe der Patente auf Corona-Impfstoffe und Medikamente protestierten.

Die Welt hat Corona und sie steht Kopf. Seit einem Jahr befinden wir uns im faktischen Ausnahmezustand. 
Mit für unmöglich gehaltenen politischen Maßnahmen, mit an die Grenze der Zumutbarkeit gehenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen, mit Widersprüchlichkeiten politischer Entscheidungen, jeder menge Statistiken und jeden Tag Todeszahlen. 

Ende des vergangenen Jahres kam endlich die heilbringende Botschaft: der Impfstoff von BioNtech/Pfizer ist nicht nur in der EU zugelassen, sondern soll noch in den letzten Tagen des Jahres zum Einsatz gebracht werden. Eine Welle der Erleichterung ging durch die Bevölkerung und erstmals wurde die Perspektive eines Endes der Coronamaßnahmen überhaupt vorstellbar. 

Wir stehen heute hier, vor der BioNtech Firmenzentrale. Aber wir nicht gekommen um uns zu bedanken. 

Wir sind heute hier, weil an BioNtech die das globale ungerechte Gesellschaftssystem, Kapitalismus, verdeutlicht werden kann. In seiner Logik hat es oft todbringende Konsequenzen. BioNtech ist dabeinicht das Problem, es dient uns als Beispiel. 

Was also ist das Problem?

Es gibt eine weltweite Pandemie, in der niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind. Das Vernünftigste in einer solche Situation wäre einen gemeinsamen, weltweiten Wissenspool anzulegen: Alle Wissenschaftler*innen und Forscher*innen könnten ihre Ergebnisse und Zwischenstände (Open Access) dort einstellen und so rund um die Uhr auf Basis der jeweils neuesten Erkenntnisse in maximaler Geschwindigkeit, einen Impfstoff entwickeln, der dann umgehend weltweit produziert und gerecht verteilt werden kann. Die kollektive Intelligenz hat ihn entwickelt, die weltweit Gemeinschaft profitiert von der Geschwindigkeit und der allgemeinen Zugänglichkeit. 

Das aber ist nicht der Fall. 

Stattdessen lehnen die Länder in denen große Pharmakonzerne sitzen, darunter auch Deutschland, die Beteiligung an einem solchen Wissenspool ab. In verschiedenen Ländern wird somit gleichzeitig am selben Ziel geforscht – in Konkurrenz zueinander.
Wird der Impfstoff zugelassen, steigen die Aktien der Pharmaunternehmen durch die Decke, während alle Länder Schlange stehen um die Ersten zu sein, die sich die begehrten Impfdosen sichern. Eine entsprechende einflussreiche Position im globalen Machtgefüge und die entsprechenden Kapitalreserven sind dabei von entscheidendem Vorteil. 

Deutschland, Europa, die Industrienationen (sie machen14% der Weltbevölkerung aus) haben sich bereits jetzt über die Hälfte des Impfstoffes gesichert. Für die Länder des sogenannten globalen Südens bedeutete dies, dass sie zum Teil erst 2024 mit einem Impfschutz für ihre Bevölkerung rechnen können.  

Die Politik unserer Regierungen ist nicht davon geprägt Corona zu bekämpfen, sondern von einem "wir zuerst". Während in Marburg mit Millionen staatlicher Zuschüsse eine Fabrik zur Impfstoffproduktion gebaut und erst im Laufe dieses Jahres fertig gestellt wird, könnte Indien mit der größte Pharmaproduktionskapazität der Welt diesen längst produzieren. Aber das "wir zuerst" Patenrecht lässt dies offensichtlich nicht zu. 

Das ist aber noch nicht alles. Auch die europäischen Regierungen müssen die Impfstoffe zu horrenden Summen kaufen. Weil Unternehmen mit Patenten die Verfügungsgewalt über die Impfstoffe  - für sich - und gegen die öffentlichen Interessen absichern. Hunderte Millionen öffentlicher Gelder, also Steuergelder, sind in die Entwicklung des Impfstoffes geflossen. Die Impfstoffe gehören doch eigentlich uns, der Bevölkerung! Stattdessen wird mit dem Patentrecht abgesichert und die Pharmakonzernen erwirtschaften private Gewinne in Milliardenhöhe: 

Allein BioNtech ist mit 375 Millionen Euro für Entwicklung des Corona-Impfstoffes gefördert worden. Die Steuerzahler*innen zahlen dies mit, aber weder haben wir dadurch einen allgemeinzugänglichen Impfstoff, noch ist die öffentliche Förderung an Konditionen für die Unternehmen geknüpft, die eine globale und gerechte Verteilung der Impfdosen absichern. Noch nicht mal das. 

Das Patentesystem ist Teil einer Gesellschaft, in dem das Recht auf Gesundheit dem Recht auf Gewinn untergeordnet ist. Es verhindert den Zugang zu existenziellen Medikamenten und Impfstoffen für den Großteil der Weltbevölkerung. Der Tod von Millionen Menschen im globalen Süden wird billigend in Kauf genommen.

Die Ordnung der Ungleichheit wird mit aller Gewalt verteidigt. Selbst im Angesicht einer solchen globalen Bedrohungslage wird das Recht der Unternehmen und der Reichen gegen die großen Teil der Weltbevölkerung durchgesetzt. 

So funktioniert der Kapitalismus und BioNtech ist mittendrin.

Wir fordern:
    • Gebt die Patente frei!
    • Die Abschaffung des Patentrechtes und die Vergesellschaftung der Pharmaindustrie!
    • Impfstoff für Alle - global und gerecht verteilt!

Dem Kapitalismus inhärent ist außerdem das ungerechte und durchneoliberalisierte Gesundheitssystem:Während Krankenhäuser und Personal völlig überlastet sind, erreicht uns plötzlich die Nachricht, das möglicherweise die Gehälter von Krankenhauspersonal nicht mehr gezahlt werden können. Wie kann das sein?

Die Krankenhausfinanzierung funktioniert über die Fallkostenpauschale, die eine kostspielige Behandlung einerseits und schnelle, medizinisch fragwürdige, sogenannte „blutige" Entlassungen von Patent*innen andererseits schafft.
Die wegen der Notsituation von Corona abgesagten Knie-OP´s, Herzoperationen führen dazu, dass das bisherige Finanzierungsmodell der Krankenhäuser kollabiert. Ein Gesundheitssystem was so eingerichtet ist, ist schlicht disfunktional und muss grundsätzlich umgestaltet werden, jenseits von Profitinteressen. Noch Mitte 2019 hatten Krankenkassenvorstände und Unternehmensberater:innen einhellig proklamiert, von 1400 Krankenhäusern 600 zu schließen, weil diese unrentabel seien.

Aber: bei Gesundheitsversorgung kann und darf es nicht um Rentabilität gehen! Würden diese Schließungen umgesetzt, müssten manche Patient:innen bis zu eine Stunde ins nächste Krankenhaus fahren. In Notfällen kann dies Leben kosten.  Es scheint, dass auch hier der Tod von Menschen billigend in Kauf genommen wird. 

Die Auseinandersetzungen um den Corona-Impfstoff sind Ausdruck und Teil von globalen Verteilungskämpfen, in dem es nur um Profitinteressen geht, aber nicht um den gesellschaftlichen Schutz. Es werden noch weitere soziale Verteilungskämpfe auf uns zu kommen. Die marktwirtschaftliche Organisierung von Gesundheitsversorgung steht gegen das Menschenrecht auf Gesundheit - das muss sich ändern, dafür kämpfen wir!

Wenn die ersten Impfungen durch sind, wird sich die Frage stellen, wer die horrenden Mehrkosten aufbringen wird, die in die Aufrechterhaltung von Wirtschaft, der Subventionierung und Rettung von Unternehmen etc. geflossen sind.  Der finanzielle und soziale Notstand steht uns erst noch bevor. Durch Rettungsaktionen vor allem für die Wirtschaft, höhere Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle muss der Staat finanzieren, während er gleichzeitig Einnahmen verliert. Forderungen nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt werden bald jene nach Corona-Soforthilfen und Konjunkturprogrammen überlagern. Wo kann gespart werden und wo gibt es Geld zu holen? Das werden die umkämpften Fragen der nächsten Zeit sein.                                                            

Die staatliche Krisenbewältigung findet bisher ganz im Sinne und zugunsten der Wohlhabenden statt. Lufthansa & Co werden mit milliardenschweren Finanzpakten gerettet während die Arbeiter:innen im medizinischen Sektor sich mit solidarischem Applaus begnügen müssen. Die Rüstungsproduktion läuft blendet, während es an medizinischen Geräten und Schutzausrüstung fehlt. Statt die in die Jahre gekommenen Gesundheitsämter besser auszustattend, werden Bundeswehrsoldat:innen zur Fallnachverfolgung eingesetzt. Und anstatt endlich zu erkennen, dass Lager, überfüllte Flüchtlingsunterkünfte geräumt und dezentral untergebracht und fehlendes Obdach für Wohnungslose gefunden werden muss, wird auch hier nur notdürftiges und meist unzureichendes Krisenmanagement betrieben. 

Was ein Irrsinn! Konzerne im Onlinegeschäft, die Pharmaindustrie und der Lebensmittelhandel profitieren und anderen Unternehmen werden mit Staatsgeldern gerettet. Es sind dieselben Unternehmen, die bisher mit Steuergeschenken überhäuft wurden, die schon bisher Arbeits- und Schutzvorschriften nicht eingehalten haben, die sich auch bisher Lohndumping über die Sozialkassen haben finanzieren lassen und damit ihre Gewinne steigern konnten. 

Damit muss Schluss sein. Wir müssen uns das Geld da holen wo es ist: Bei den Unternehmen, bei den Reichen. 
Gemeinsam müssen wir für eine solidarische und gerechte Gesellschaft kämpfen!

Für eine Abschaffung des Patenrechtes und gerechte Impfstoffverteilung global!
Entprivatisierung aller Krankenhäuser und der medizinischen Versorgungszentren. Für mehr Polikliniken!
Enteignung von Pharmakonzernen und Vergesellschaftung der Pharmaproduktion!
Niemand ist sicher, solange wir nicht alle sicher sind. 
Für eine globale Solidarität!